Schwerpunkt Ukraine: Theater als Widerstand

Am 24. Februar jährt sich der Beginn der großflächigen russischen Invasion in der Ukraine zum dritten Mal. Der Krieg hat unzählige Leben gefordert, Existenzen zerstört und bleibt für die Menschen in der Ukraine eine anhaltende Bedrohung. Gerade in dieser Zeit kann das Theater für junge Menschen ein Medium der Sichtbarkeit und eine Form des Widerstands sein.
Seit 2015 nutzt die ukrainische Theatergruppe THEATRE OF CONTEMPORARY DIALOGUE darstellende Kunst, um Betroffenen mit Theater und Kunst zu helfen. Gegründet als Antwort auf die Annexion der Krim und den darauffolgenden Krieg, bringt sie junge Menschen zusammen und schafft durch Theater Bewusstsein.
Mit dem internationalen Gastspiel DESIRES & FEARS im DSCHUNGEL WIEN bringen sie nun das Leben fünf ukrainischer Schauspielerinnen und ihre persönlichen Geschichten auf die Bühne und verknüpfen sie mit der kollektiven Erfahrung eines Lebens im Krieg. Dabei erzählen sie von Hoffnung, Widerstand und menschlicher Stärke.
Im Anschluss an die Aufführung ist das Publikum eingeladen, sich an einer offenen Diskussion zu beteiligen. Dieser Austausch bietet die Möglichkeit, über das Gesehene nachzudenken, Fragen zu stellen und gemeinsam ins Gespräch zu kommen.
Am 1. Februar starb Anastasiia Kolvakh, Kollegin, Schauspielerin und Co-Autorin des Teams des THEATER OF CONTEMPORARY DIALOGUE durch eine russische Rakete, bei einem Angriff auf ein Wohngebäude in Poltawa. Die finanzielle Situation der Familie ist derzeit kritisch, daher sammelt die Theatergruppe für die Familie der Verstorbenen. Spenden könnt ihr im Anschluss an die Vorstellung DESIRES & FEARS oder hier mehr erfahren.
euer DSCHUNGEL WIEN-Team
Pressestimme "Desires & Fears"
"Großmächte verhandeln über das Schicksal der Ukraine und pochen auf Appeasement-Politik mit dem Kreml – die Perspektive der ukrainischen Bevölkerung wird dabei gänzlich ausgeklammert. Vor diesem geopolitischen Hintergrund erzählen fünf Frauen von den tiefgreifenden Veränderungen in ihrem Leben seit Beginn der russischen Invasion. Das Theatre of Contemporary Dialogue stellt unserer gefährlichen Wirklichkeit eine eindringliche dokumentarische Performance entgegen, die wirkungsvoll aufzeigt, wieso ein Frieden ohne Freiheit keinen Sinn hätte. (...)
Die Performer*innen erzählen von den Veränderungen seit Beginn der Invasion und ihrem Verhältnis zu Frieden, Verlust, Freiheit und der Ungewissheit, in der sie irgendwie weitermachen müssen. Vor allem schildern sie ihre individuellen Ängsten und hinterfragen die Chance auf eine Verwirklichung ihrer Lebensträume. Sie beschreiben die Angst, dass zuhause eine Rakete einschlagen könnte, dass der Staat allen vergeben wird, denen sie niemals verzeihen könnten und dass die eigenen Wünsche später einfach nicht mehr relevant sein könnten. Sie berichten von den Sorgen, die eigene Menschlichkeit oder den eigenen Vater zu verlieren und dass alle, die gerade an der Front sind, dort ihr Leben lassen könnten.
Sie erzählen vom Wunsch, an die Küste der Krim zu fahren, dass alle Freund*innen sicher nach Hause zurückkehren und wieder zu einem normalen Leben zurückfinden können. Sie sprechen von Gerechtigkeit und Unbeschwertheit, ihrem Anliegen einer normalen, langweiligen Kindheit für Verwandte. Sie fordern einen Abschlussball für die kleine Schwester statt Minen, die von Kindern mit Spielzeug verwechselt werden und denselben Namen tragen wie Blüten in einem sowjetischen Märchen. Sie äußern ihre Karrierewünschen als Schauspielerin und Kosmonautin. Sie träumen davon ein Kind auf die Welt zu bringen – aber nicht während eines Luftalarms –, von Rache und davon, weder auszubrennen noch aufzugeben. Sie erinnern sich an eine Kindheit im Theater und davon, was sie sich von dieser Institution wünschen und was es leisten kann." (Alexandra Isabel Reis für thegap)
Verflixt, wer rettet die Welt? Ein Theaterstück von + mit Kindern aus der Ukraine
"Ich wollte einen Raum schaffen, in dem wir alle neuen Bedeutungen finden könnten. Schließlich ist das Erwachsenwerden nicht einfach. Und besonders schwierig ist es, in der Zeit des Krieges erwachsen zu werden, in Bedingungen eines neuen Landes, dessen Sprache und Traditionen man nicht kennt. Man findet sich eines Tages in einem neuen Raum wieder, und das Einzige, was man tun muss, ist weiterzuleben. Unter vorgegebenen Bedingungen. Ohne alte Freunde, bekannte Spielplätze, vertraute Schule und Lieblingsvereine. Alles bei Null anfangen. So, wie man ist. (...)
Ich kann die Kinder in ihr normales Leben nicht mehr zurückbringen, aber ich kann ihnen die Möglichkeit geben, Theatermagie zu erleben. Ja, ich bin vierzig, aber ich glaube an Magie, an die Theatermagie. Und Sie vielleicht auch. DSCHUNGEL WIEN glaubt an die Magie des Theaters, und die Kinder glauben auch daran. Also haben wir uns getroffen und Theater gemacht. Als ob außerhalb der Türen von diesem Theater nichts Schlechtes existierte. Als ob Theater das Wichtigste wäre, was hier und jetzt passiert." (Dramatikerin Oksana Maslova)